Corbett Lake 2014 (Kanada)

Das kanadische Rutenbauertreffen

Die internationale Vernetzung der Bambus-Rutenbauer und die „VOR-Internet-Zeit“ des Rutenbaus

 

Noch vor 30 Jahren folgten ein paar unverständliche Blicke, wenn man den Begriff „Bambus – Rutenbau“ erwähnte. Den fischenden Gesprächspartnern war dann oft nicht klar, ob es sich dabei um einen Tomatenstecken mit Schnur handelte als Billigstversion für einen Gang ans Wasser, ob man einen Witz gemacht hatte oder ob etwas nicht richtig verstanden worden war. Nostalgie war nicht gefragt zur damaligen Zeit und es gab kaum mehr jemanden in der Schweiz, der dieses Hobby pflegte. Ich war einer der Wenigen.  Professionelle Bambusrutenbauer waren nur noch Einzelne bekannt und wenn, dann auch nur noch in speziell interessierten Kreisen. Das Internet war unbekannt und so wussten nur ganz Wenige, was zu diesem Thema auf der anderen Seite des Atlantiks lief.

Schauen wir etwas weiter zurück in die Vergangenheit: bereits 1846 war die erste gespliesste Fliegenfischerrute aus Bambus von Samuel Philippe aus Pennsylvania (USA) gebaut worden. Um 1870 wurde eine der ersten Firmen für den Bambusrutenbau von L.H. Leonard in Maine (USA) gegründet, viele weitere bekannte Firmen folgten. In Europa begann 1880 in England die Firma Hardy mit der Bambusruten-Produktion. Literatur zum Rutenbau war in Europa nur sehr wenig bekannt.

 

 

 

Erst 1977 erschien das Buch von Everett Garrison und Hoagy Carmichael „A masters Guide to Building a Bamboo Fly Rod“, das erstmals auch für Hobby-Rutenbauer detaillierte Einblicke in die einzelnen Schritte des Gespliesstenbaus gab. Dieses Buch fand seinen Weg nach Europa und gilt noch heute als die „Bibel“ des Rutenbaus. Einen eigentlichen Boom erfuhr das Fliegenfischen, und auch die Nachfrage nach Bambus-Fliegenruten nochmals als Folge des Films von Robert Redford „A river runs through it“ (Aus der Mitte entspringt ein Fluss) 1992. 

 

 

 

Der Gespliessten-Rutenbau in Europa und Amerika hat sich aber völlig verändert. Die grossen Werkhallen der früheren Zeiten mit einem Heer an Arbeitern wurden, der Nachfrage entsprechend, durch kleine  Einmannbetriebe abgelöst. In den wenigsten Fällen werden diese professionell betrieben, meist sind es Hobby-Werkstätten. Vor allem das Internet ermöglichte ihren Aufschwung. Wo früher Anleitungen für Arbeitsschritte zur Herstellung einer gespliessten Rute  oder Problemlösungen mühsam zusammen geklaubt werden mussten, reichen heute oft ein paar Klicks auf dem Computer. Der Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Rutenbauern hat sich dadurch massiv vereinfacht.

 

Vor allem in den letzten 10 Jahren fand das Rutenbau-Hobby laufend neue Liebhaber. Fachfragen nahmen zu und es war nur eine Frage der Zeit, bis sich die Bambus-Rutenbauer zu Interessengemeinschaften zusammen schliessen würden. In Italien wurde 2005 die „IBRA“ (Italian Bamboo Rodmakers Association) gegründet und Ende 2005 folgte in der Schweiz „gespliesste.ch“. Locker veranstaltete nationale Rutenbauer-Treffen formierten sich in den einzelnen Ländern, meist zur Ausstellung selbst produzierter Ruten und anschliessendem Informationsaustausch.  

Dann, 2008, organisierte die IBRA in Italien das 1. Europäische Rutenbauertreffen. Es wurden gezielt Persönlichkeiten aus der ganzen Rutenbauerszene eingeladen. Dies war der Start zu einem grösseren internationalen Austausch und seither folgte jedes Jahr ein Europäisches Treffen, abwechslungsweise in der Schweiz, Deutschland, Italien und Frankreich. So bewegt sich die ganze Rutenbauer – Gemeinschaft regelmässig quer durch Europa. Unzählige Fachvorträge zu  Rutenbaufragen wie Hohlbau von Ruten, Bambushülsen, die Herstellung von Nickel-Silber Hülsen, Lackierungsthemen, Taperberechnungen von Ruten, Vereinfachung der Hobelarbeit, Qualitätsfragen von Bambus und Kork, usw. bilden jeweils den Schwerpunkt der Treffen.

Die internationale Vernetzung, auch „über den grossen Teich“ hinweg, wurde stetig ausgeweitet und nicht selten nahmen Rutenbauer aus Übersee dabei erstaunt, aber auch erfreut, zur Kenntnis, wie hoch die Qualität und die Präzision des europäischen Rutenbaus ist. Ein sichtbares Ergebnis des jahrelangen, innereuropäischen gegenseitigen Austausches und Ansporns!

 

Das 6. Europäischen Rutenbauer Treffen 2013, wieder organisiert von „gespliesste.ch“ wurde im Herbst in der Westschweiz, in Charmey (CH), abgehalten. Das Schwerpunkt-Thema war gespliesste Zweihandruten. Als Gast wurde der kanadische professionelle Rutenbauer Bob Clay eingeladen, der über seine Spezialität, den extremen Leichtbau für Zweihand-Fliegenruten, sprach.  

 

 

 

Die mittlerweile seit 6 Jahren international ausgetragenen Treffen haben zusätzlich, neben dem Austausch von Fachinformationen, auch ein weitverzweigtes Freundschaftsnetz geschaffen. So war es nur eine Frage der Zeit, bis erstmals ein Schweizer Rutenbauer nach Übersee eingeladen würde, um dort sein Fachwissen zu präsentieren. Im Mai 2014 war es soweit.

Philipp Sicher aus Altdorf (Uri) wurde nach Kanada, ans „Corbett Roduilders Gathering 2014“ in Kamloops eingeladen, welches alle zwei Jahre stattfindet.

 

Mehr als 70 amerikanische und kanadische Rutenbauer versammelten sich im vergangenen Mai im South Thompson Inn in Kamloops (BC, Kanada) zu ihrem traditionellen Rutenbauertreffen

 

 

 

 

 

 

Seine erstmals 2007  am Treffen in Waischenfeld (D) vorgestellte Rutenserie sollte eines seiner Vortragsthemen sein. Diese laufend erweiterte Rutenserie besteht mittlerweile aus insgesamt 16 Ruten. Alle sind sie auf der Basis des gleichen Tapers (Verjüngung der Rute) gebaut, aber jede in  einer anderen Bauweise resp. einem anderen Querschnitt wie z.B. Quad, Penta, Hex, Octa, Evo13 aber auch Solid- und Hohlbau, Bambus- und Nickel-Silber-Hülsen, ein-, zwei- und dreiteilig. Ausgestattet mit identischen Rollen und Schnüren entstand daraus eine direkte, spürbare Vergleichsmöglichkeit, wie sich die unterschiedlichen Bauweisen auf die Wurfaktion einer Rute auswirken. Neu in die Serie aufgenommen wurde 2013 die „Evo8“ – die Entwicklung eines neuen Querschnitts von Philipp Sicher. Dieser neue Querschnitt, im Prinzip die Weiterentwicklung eines quadratischen Querschnitts, war ein weiteres Vortragsthema, ebenso wie die geschichtliche Gegenüberstellung der Rutenbau-Entwicklung in Europa und USA/Kanada.

 

 

Vor dem Treffen wurde gemeinsam gefischt. Mittagspause am Bootssteg von Leonard Piggin (Präsident von Kamloops Fly Fishers) am Heffley-Lake

 

 

 

 

 

 

 

Das Treffen fand vom 15. – 18. Mai 2014 statt. Fast 70 Rutenbauer aus Kanada und USA waren anwesend. Wie in Europa wurden an zwei Tagen verschiedene Fachvorträge angeboten. Professionelle Rutenbauer, Vertreter von bekannten Firmen und auch namhafte Amateure sprachen über die  Herstellung von Rollenhaltern, über Hohlbauweisen, über Rutenbaufehler und Bruchgefahren, über Taperdesign und auch über saubere Rutenwicklungen für die Schnurringe.

Andy Royer liess uns an seiner grosse Erfahrung in der Beschaffung und Lieferung der passenden Bambussorte (Arundinaria Amabilis) teilhaben und schmunzelte darüber, dass er auch heute noch manchmal  unverständliche Blicke von Chinesen erntet, weil sie nicht ganz verstehen können, weshalb die Europäer, Amerikaner oder Kanadier sich so unglaublich viel Mühe machen, den Bambus erst zu spalten, um ihn dann doch wieder zusammen zu kleben, anstelle der einfachen Verwendung eines ganzen Bambussteckens zum Fischen, so wie sie es selber tun.

 

Eine interessante Sequenz war der Teil „One & All“. Hier hatten einzelne Teilnehmer während je 10 Minuten die Gelegenheit, ihre rutenbaulichen Kreationen, maschinellen Eigenentwicklungen oder Erfindungen vorzustellen, was zu einem regen Austausch führte.

 

 

 

 

 

 

 

 

An beiden Vortragstagen war immer genügend Zeit, um auf der Wiese unterschiedlichste Ruten zu testen, zu werfen und zu diskutieren.

 

 

 

 

 

 

 

Ein emotionaler Höhepunkt war der „Tom Morgan Award“. Dieser Award wurde am diesjährigen Treffen erstmals verliehen und soll fortan bei jedem Corbett Rodmakers Gathering einer Person zugesprochen werden, die als „innovativ, mit offenem Geiste und unterstützend für andere Rutenbauer“ beurteilt wird. 

Der Award ist nach Tom Morgan benannt, dem früheren Besitzer der Winston Rod Company, angesehenen Rutenbauer und Erfinder der „Morgan Hand Mill“, einem innovativen Gerät, welches ein vereinfachtes, aber präzises Hobeln von Spleissen ermöglicht. Tom Morgan ehrte in seiner persönlichen Rede Andy Royer, den er während vielen Jahren förderte und forderte, und dem dieses Jahr der Award zugesprochen wurde für seinen unermüdlichen Einsatz für die Beschaffung des optimalen Rohmaterials in China.

 

 

 

Das „Corbett Rodmakers Gathering“ war insgesamt ein enorm herzlicher und freundschaftlicher Anlasse, gefüllt mit viel Austausch und Fachdiskussionen, genauso wie dem Knüpfen neuer Freundschaften.

Marty Karstaetter                                                 Peter McVey, ein Urgestein in Kanada

So war es nicht verwunderlich, dass nach dem Treffen noch ein paar gemütliche Tage an kanadischen Steelhead- und Forellengewässern folgten. Auch aus diesem Treffen werden sich wieder Gegeneinladungen ergeben und die internationale Vernetzung wird noch weiter gesponnen. 

 

Fischen in Kamloops und im Squamish-River (BC)

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Ein neuer Ansatz für die Quad


meine Einladung nach Kanada


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